16. Das alte Reich von Babylon.
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Hi. Die Babylonier und Assyrier.
16. Das alte Reich von Babylon.
(Nach Max Durrcker, Geschichte des Alterthums.)
Unter allen von Semiten besetzten Ländern erhoben sich die Gebiete am untern Euphrat, das Land Sinear, wie es die Hebräer, Babylonien, wie es die Griechen nach der 'Hauptstadt nennen, am frühsten und zugleich am höchsten in Ansehen und Bildung. Babylon wurde schon in der ersten Hälfte des zweiten Jahrtausends v. Chr. ein Nebenbuhler ägyptischer Wissenschaft, Kunst und Technik. Nach der Tradition weit Nimrod, der Sohn des Kusch, der Urenkel Noah's, der Stifter des babylonischen Reiches.
Die einheimischen Traditionen der Babylonier hat Berosus, ein Priester am Tempel des Bel zu Babylon, in der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts v. Chr., ungefähr um dieselbe Zeit, als Manetho das Verzeichniß der Pharaonen aufstellte, in griechischer Sprache niedergeschrieben. In den aus seinen drei Büchern geretteten Bruchstücken heißt es: Im Anfange war alles Dunkel und Wasser und darin lebten Thiere von furchtbarer Gestalt. Aber der Gott Bel habe das Dunkel mitten durchschnitten und Himmel und Erde getheilt und die Gestirne, Sonne und Mond und die fünf Wandelsterne vollendet und alle jene Ungeheuer seien verschwunden, da sie das Licht nicht zu ertragen vermochten. Da aber Bel die Erde fruchtbar und leer gesehen, habe er den Göttern befohlen, Erde zu nehmen und sie mit göttlichem Blute zu mischen und daraus Menschen und Thiere zu kneten, welche das Licht ertragen und athmen könnten. Ein Wesen mit menschlichem Haupt und menschlicher Stimme, aber unten wie ein Fisch, stieg aus dem Indischen Meer ans Ufer (es hieß Oannes) und lehrte die Menschen Tempel und Städte und
den Acker bauen, säen und die Frucht ärnten und alles, was zum mensch-
lichen Leben gehört, und offenbarte ihnen die Gesetze und alle Künste und Kenntnisse, wenn aber die Nacht kam, stieg es immer wieder ins Meer
hinab. Nach 432,000 Jahren sei der Gott Bel dem 3eisuthrus nächtlicher Weile erschienen und habe ihm verkündet, daß die Menschen durch eine große Flut vernichtet werden würden, er solle ein Schiff erbauen, das er mit seinen Genossen und Freunden besteige. Auch Speise und Trank solle er in das Schiff nehmen und die Thiere hineinnehmen, geflügelte lind vierfüßige. Xisuthrus that, wie ihm geboten war, baute ein Fahrzeug und brachte Weib und Kind, Verwandte und Freunde hinein. Die Überschwemmung kam, und als das Wasser nicht mehr schwoll, ließ Vsuthrus einen Vogel fliegen; der Vogel aber kehrte zurück, da er keine Nahrung fand. Nach einigen Tagen sandte Muthrus einen zweiten aus, der kam zurück mit Schlamm an den Füßen, der dritte aber, den Xisuthrus fliegen ließ, kam gar nicht wieder.
Daran gewahrte Xisuthrus, daß die Erde wieder aus dem Wasser erschienen
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Extrahierte Personennamen: Max_Durrcker Max Manetho
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Iii. Die Babylonier und Assyrier.
die Zunge ausgerissen werden. Er war auch ein leidenschaftlicher und kühner Jäger. Mit Bogen und Pfeil erlegte er den Löwen im Dickicht des Waldes und vom Kahn aus im Röhricht des Ufers. Sein Wildgarten war angefüllt mit Käfigen, aus denen die Löwen zur Jagd losgelassen wurden. Ja, wir kennen sogar seine Lieblingshunde, die er in gebranntem Thon nachbilden und mit ihren Namen versehen aufstellen ließ.
Ein Schlag, und das ganze große, gewaltige Reich war aus einander gefallen. Dieser Schlag kam von den Medern, welche, ebenfalls unter: morsen, in ihrem Bergland sich doch wieder dem Joch entzogen hatten und unter einheimischen Fürsten erstarkten. Kyaxares gelang es, das assyrische Zeer zu besiegen, doch wurde seine Untemehinung gegen Ninive unterbrochen durch den Einfall eines neuen, für beide Theile gleich furchtbaren Feindes, der Scythen. Entsetzlich hausten diese rasch dahin eilenden Reiterschaaren in dem schon durch so viele Kriege erschöpften Lande; es war unmöglich sie zu erreichen und mit Erfolg zu bekämpfen. Allein kaum hatte dieser Sturm ausgetobt, so erhob sich der Aufstand gegen die assyrische Hauptstadt. Der Bann des Schreckens war gebrochen. Zahllose Schaaren sammelten sich in den unteren Landen nach dem persischen Meerbusen zu; Nabopolassar, zu ihrer Bekämpfung ausgefandt, stellte sich selbst an ihre Spitze und vereinigte sich mit den Medern. Ninive wurde eingeschlossen, von keiner Seite war Hülse zu erwarten. Aber die Stadt war wohl verproviantirt und sehr fest. Das medisch-babylonische Heer versuchte vergeblich die Wälle zu brechen. Zwei volle Jahre vergingen mit Versuchen, Bresche zu machen und mit der Blokade der Stadt. Im Frühjahre des dritten Jahres endlich kam der Tigris den Belagerern zu Hülse; eine furchtbare Ueberfchwemmung riß die Wälle auf eine Länge von 20 Stadien nieder. Der König Sarak, als er Alles verloren sah, zündete den Palast an und starb in den Flammen, ähnlich dem letzten Paläologen in Byzanz, nachdem er wie dieser in einer einzigen Stadt, dem letzten Reste seines Reiches, den Angriff gewaltiger Heere ausgehalten hatte. So ward das Gericht, das über Sanherib begonnen hatte, vollendet durch den ersten Untergang eines Weltreiches, von dem wir historische Kunde haben.*)
18. Das jüngere Keich in Babylon. Uelmkadnem.
(Nach Marcus v. Niebuhr, Geschichte Assurs und Babels, bearbeitet vom Herausgeber.)
Als Ninive in Asche sank, erhob sich Babylon noch einmal zu neuem Glanze. Die Eroberer Assyriens hatten sich so in die Beute getheilt, daß
*) Dieser Schluß nach Marcus b. Niebuhr's Geschichte Assurs und Babel«,
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54 * Iii. Die Babylonier und Assyrier.
dem linken Ufer eine neue Stadt an und befestigte beide Städte mit den ungeheuren Mauern und Thürmen, welche das Staunen der Alten erregten. Auf beiden Seiten des Flusses erhoben sich der neue und der alte Palast als gewaltige Citadellen. Bevor aber Nebnkadnezar die Befestigung der Stadt gegen den Fluß vollendet hatte, starb er (561) als Herrscher von dem Fuß der armenischen Gebirge bis nach Arabien hinein, vom Mittelmeer und Rothen Meer bis zu den Gebirgen des Zagros und bis zum persischen Meetbuseri; seit Phönicien unterworfen war, ohne eine Unterbrechung.
Die Anstrengungen, welche Nebukadnezar machte, Hauptstadt und Land gegen die Meder zu befestigen, zeigen, daß er -selbst wohl ahnte, wie kurz die Dauer seiner Macht sein werde, und wie Medien doch eine andere Kraft in sich habe als sein Reich. Und rascher noch, als er wohl je geahnt, sank sein Reich, sobald er die Augen geschlossen hatte. Sein Sohn Evilmerodach scheint keine der großen Eigenschaften seines Vaters geerbt zu haben. Nicht einmal die Bauten führte er weiter, das Unvollendete blieb liegen. Nachdem er noch nicht zwei Jahre, mit Mißachtung der göttlichen und menschlichen Gesetze, regiert hatte, konnte sein Schwager Neriglissar es wagen, den Sohn des großen Königs zu ermorden und selbst den Thron zu usurpiren. Derselbe starb nach vier Jahren mit Hinterlassung eines Knaben, den die Großen des Reiches mit Rücksicht auf die von Cyrus, dem Gründer des persischen Reiches, drohende Gefahr aus dem Wege räumten, worauf einer der Verschworenen, Nabonedus, vielleicht ein Verwandter des königlichen Hauses, die Regierung erhielt. Dieser nahm das unterbrochene Werk der Befestigung der Hauptstadt wieder auf und vollendete die Mauern, welche beide Stadthälften gegen die Flußseite einschlössen. Wie König Amasis von Aegypten, verbündete'auch er sich mit dem Könige Crösus von Lydien, dem Schwager des gestürzten Mederkönigs (Astyages), um dem neuen Perserreiche entgegenzutreten, von welchem beiden Reichen Gefahr drohte. Wer Crösus eröffnete den Krieg zu frühzeitig, ehe Babel und Aegypten ihre Kräfte zusammengezogen hatten, und Cyrus beendete den lydifchen Krieg so rasch, daß das lydische Reich ohne eine Möglichkeit des Beistandes der Bundesgenossen zusammenbrach.
Der Bund der drei Könige hatte keine weitere Folge gehabt, als daß Cynts sich nun gewissermaßen genöthigt sah, Babel und Aegypten anzugreifen. Sie hatten sich als seine Feinde gezeigt, die er nicht in seiner Flanke stehen lassen konnte. Denn wer Kleinasien von Persien aus beherrschen muß, kann Babylonien und Syrien nicht in fremden Händen lassen. Nachdem Cyrus sich durch einen Zug gegen die unruhigen Baktrer und (Baken den Rücken gesichert hatte, führte er sein Heer gegen Babel. Er erkannte bald, daß ein gewaltsamer Angriff gegen die eben so trefflich befestigte als reichlich ver-proviantirte Stadt keinen bessern Erfolg haben werde, als vor Ninive. Wie Ninive durch das Wasser gefallen war, so beschloß auch Cyrus, Babel durch
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Extrahierte Ortsnamen: Sippara Jerusalems Babel Salamis Paris Ktesiphon Bagdad Seleucia
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Ix. Die Griechen.
man sich mit ganzer Macht zu vertheidigen habe, und daß alle Feindseligkeiten, die zwischen den einzelnen Staaten und namentlich zwischen Athen und Aegina obwalteten, einstweilen eingestellt werden sollten. Indessen konnten sich die Abgeordneten nicht darüber einigen, wie der Krieg zu führen sei. Erst die drohenden Forderungen der Theffaler brachten die Versammlung auf dem Isthmus dahin, daß man, ohne allen wirklichen Plan, eine Schaar von zehntausend Kriegern zu ihnen sandte. Diese stellten sich in dem Thale Tempe auf, um diesen Eingang von Makedonien in Thessalien zu vertheidigen. Indessen gaben sie nach eingegangener Nachricht von der ungeheuern heranziehenden feindlichen Macht ihren Plan auf und zogen sich wieder nach dem Isthmus zurück. Einstimmig wurde nun hier beschlossen, ein Landheer von 6000 Mann unter der Oberanführung des spartanischen Königs Leo-nidas nach den Thermopylen zu schicken, um den Barbaren den Eintritt in Hellas zu wehren, und eine Flotte von 271 Segeln, zu denen Athen allein 127 Schiffe gestellt hatte, durch den Euripus nach dem Vorgebirge Artemisium auslausen zu lassen, um dort der persischen Flotte den Eingang zu versperren. Xerxes stutzte nicht wenig, als er auf einmal den Engpaß bei Thermophylä von feindlichen Truppen besetzt fand. Doch kam es ihm lächerlich vor. daß eine Handvoll verzweifelter Leute entschlossen sei, ihm den Durchgang zu verwehren. Er ließ sie ausfordern, ihre Waffen auszuliefern. „Komm und hole sie", war die trotzige Antwort. Xerxes gab darauf Befehl, die verwegenen Feinde anzugreifen und den Hohlweg zu stürmen. Die
kleine Heldenschaar warf aber mit kühner Todesverachtung in dreitägigem Kampfe die andringenden Feinde, ja sogar die „unsterbliche Schaar* des stolzen Perserkönigs zurück. Schon hatte Leonidas mit seiner Heldenschaar Wunder der Tapferkeit verrichtet und die Perser beinahe zur Verzweiflung
gebracht, als ein Verrathet, Ephialtes, in das Lager der Perser kam und
ihnen einen Fußsteig übers Gebirge zeigte. Leonidas, um den Griechen ein großes Beispiel zur Nacheiferung, den Barbaren einen furchtbaren Beweis hellenischen Heldenmuths zu geben, zog den ruhmvollen Tod der schimpflichen Flucht vor. Denn nachdem er sich feierlich dem Tode geweihet und alle, welche wollten, entlassen hatte, rückte er mit 300 Spartanern und 700 Thes-piern, welche ihren Anführer nicht hatten verlassen wollen, dem Feinde über die Enge des Paffes hinaus muthig entgegen und bahnte sich in die Reihen der Heinde einen blutigen Weg. Mit Peitschenhieben mußte bald der König seine Knechte auf die Hellenen treiben lassen. Eine Wolke von Pfeilen flog gegen diese kleine Heldenschaar. Dennoch drangen die Griechen immer weiter über die Leichen vor und verbreiteten rings um sich her Tod und Verderben. Endlich fiel Leonidas, und nun entspann sich ein mörderischer Kamps um seine Leiche. Viermal wurde die wogende Masse der Perser zurückgedrängt, und noch war die tapfere Schaar unbesiegt. Als aber der Feind im Rücken heranzog, wurde die kleine Heldenschaar von der Menge
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87. Der Krieg zwischen Theben und Sparta 378—362. 321
Hülse, wogegen die demokratische Partei sich an Theben wandte. Epaminon-das, der auf Tegea, Megalopolis und einige andere arkadische Städte rechnen konnte, auch des Beistandes der Argiver und vor Allem der Messenier sicher war, zog abermals (zum vierten Male) nach dem Peloponnes bis Tegea. Als er hörte, daß Agesilaus mit einem Heere bereits in Pellene angekommen sei, versuchte er Nachts in größerer Entfernung an dem spartanischen Heere vorbeizumarschiren und das von Vertheidigern entblößte Sparta zu überfallen. Schon war er ohne Widerstand über den Eurotas vorgedrungen und hatte die obere Stadt besetzt, als er beim Hinabsteigen in die untere Stadt aus den Häusern und von den Dächern herab so unablässig beschossen wurde, daß die Thebaner mit beträchtlichem Verluste zurückweichen mußten. Da er vernahm, daß das ganze Heer der Verbündeten zur Vertheidigung von Sparta heranrücke, so zog er sich nach Tegea zurück und wollte von hier aus das von seinen Vertheidigern verlassene Mantinea überraschen. Dort aber war eben die athenische Reiterei eingetroffen, welche, obwohl ermüdet, im Kampfe mit der vielleicht noch mehr ermüdeten thessalifchen und böotischen Reiterei diese zurückwarf. So waren denn zwei kühne, wohl berechnete Unternehmungen des thebanischen Helden durch die Ungunst der Umstände gescheitert.
Indessen war die gesammte Macht der Feinde (etwa 22,000 Mann) von Sparta zurückgekehrt und hatte sich bei Mantinea zum Entscheidungskampfe versammelt, Anfangs Juli 362. Epaminondas stellte die Thebaner und Arkader, als den stärksten und zuverlässigsten Theil seiner Truppen (im Ganzen 33,000 Mann), wiederum in tiefer Colonne auf dem linken Flügel auf, um den rechten der Feinde zu durchbrechen. Dem Reiterangriffe folgte die Sturmcolonne des linken thebanischen Flügels im Sturmschritte nach, aber den Epaminondas traf der Speer eines Lacedämoniers in die Seite. Die Reiter, die auf der Verfolgung begriffen waren, stutzten auf i>ie Nachricht von der tödtlichen Verwundung des Feldherrn und brachen, wie besiegt, durch die fliehenden Feinde zurück. Erwachend aus der Ohnmacht ließ sich der sterbende Führer seinen Schild bringen und küßte ihn als den Gefährten seiner Kämpfe. Noch schickte er nach zwei Feldherren, die er für geeignet hielt, an seine Stelle zu treten, und als er hörte, daß auch sie im Kampfe gefallen waren, sprach er: „Dann macht Frieden!" und ließ sich die Spitze des Speeres aus der Wunde ziehen. Die Schlacht dauerte inzwischen fort mit abwechselndem Erfolge, beide Theile schrieben sich den Sieg zu und errichteten Siegeszeichen, die Spartaner aber gestanden insofern ihre Niederlage ein, als sie Gesandte schickten, um die Herausgabe ihrer Todten zu erbitten. Der letzte Wunsch des gefallenen Helden ward erfüllt: Freund und Feind, durch die beständigen Kriegszüge erschöpft, kamen überein, einen „allgemeinen Frieden und eine allgemeine Bundesgenoffenschaft" zu schließen und in diese auch die Meffenier aufzunehmen, nur Sparta wollte die Unabhängigkeit
Pütz, Histor. Darstell, u. Charakteristiken I. 2. Aufl.
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382
X. Die makedonischen Reiche.
anheim; da ermannte sich nochmals Sosthenes und stellte sich mit seiner siegreichen Schar dem mächtigen Feinde in offener Feldschlacht entgegen, aber nach tapferem Kampfe fiel er und seine Truppen suchten ihr Heil hinter festen Mauern. Doch blieb fein aufopferndes Beispiel nicht ohne Wirkung; die Einwohner faßten Muth und begannen mit Verzweiflung einen Guerillakrieg, sie warfen sich über einzeln wild und zügellos dahinstürmende Hausen und vernichteten sie, so daß durch die Rache der Einwohner wie durch Mangel an Lebensmitteln die gallischen Scharen bedeutend zusammenzuschmelzen anfingen. Als aber Acichorius das Land rein ausgebeutet sah, wandte er sich nach dem noch von keiner gallischen Schar berührten Thessalien und ließ auch hier ferne Leute ungestört ihren Lüsten stöhnen; der Aufenthalt währte länger daselbst, als er, den es mächtig zu den ungeheuren delphischen Tempelschätzen hinzog, berechnet hatte; der Kampf mit den mit-thigen Bergbewohnern, dazu noch mit heftiger Erbitterung geführt, tödtete ihm nicht nur manchen Krieger, sondern verzögerte auch feinen Marsch, so daß er erst gegen das Ende des Herbstes Delphi erreichte, wiewohl er möglichst weiterzukommen sich bemühte, um mit frifchen Kräften das jedenfalls wohlvertheidigte Nationalheiligthum in feine Gewalt bringen zu können.
Unterdessen war Griechenland, aus die Vorgänge in Macedonien aufmerksam geworden, mit bangen Ahnungen erfüllt; die unmenschliche Wildheit der Barbaren zeigte jedoch den Staaten die Nothwendigkeit einer Vereinigung zur Abwehr, und ein Aufruf an alle Hellenen, sich für die gemeinsame Sache des Vaterlandes zu bewaffnen, hatte trefflichen Erfolg: ganz Hellas trat zusammen und bildete einen Bund, nur die Peloponnesier hielten sich von dem allgemeinen Ausbruche der Vaterlandsliebe fern, weil nach ihren engherzigen Begriffen das Vaterland am Isthmus seine Grenze haben mochte; sie begnügten sich daher, denselben zu befestigen, da die Gallier keine Schiffe hatten, um eine Landung versuchen zu können. -Sehr bescheiden trat Athen dem Bundesheere mit 1500 Mann unter Anführung des Eallippus bei; gleichwohl wurde aus zarter Rücksicht für die ehemalige Größe der Stadt der Oberbefehl einstimmig dem athenischen Strategen übertragen. Wichtiger als der kleine Haufen, der zum Landheer stieß, war die Bemannung der athenischen Flotte, welche später die ersprießlichsten Dienste geleistet hat. Da auch die Könige Antigonus und Antiochus fürchteten, daß die.am griechischen Himmel ausziehende Wolke des Verderbens sich auch über ihre eigene Häupter entladen könne, sandten beide ein Hülfsheer, wodurch sich die griechischen Streitkräfte zu 30,000 Mann steigerten. Sofort entwickelte Cal-lippus feine Feldherrnthätigkeit: in Eilmärschen führte er feine Truppen zu den Thermopylen und besetzte sie, während die Flotte in der Bai von Malis ankerte. Es war in der That auch hohe Zeit, denn Acichorius näherte sich bereits dem Engpaffe; als er aber seinen Kriegern den Befehl gab, gegen den Hohlweg loszustürmen, sah er ein ähnliches Schauspiel, wie es vordem
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102. Der Einfall der Celten in Macedonien und Griechenland. 385
meist noch in trunkenem Zustande dem Tempel sich näherten. Dieses vielbesungene Heiligthum, zu dem der Hellene in allen wichtigen und entscheidenden Augenblicken des Lebens, wo menschliche Klugheit sich aus den verschlungenen Jrrgängen nicht mehr herauszufinden vermochte, wallte, lag ant südlichen Abhange des Parnaß; die ringsum majestätisch sich thürmenden Felsen und Berggipfel, der Wiederhall, den man von allen Seiten vernahm, gaben dem Orte unbewußt ein höheres Ansehen und erfüllten das Gemüth mit geheimnißvollem Schauer.
Bis hieher ist der Quellenbericht wahrscheinlich und glaubwürdig, jetzt aber wird er entstellt und ohne Sichtung nicht brauchbar. Folgen wir dem Pausaniav und Justin, so brach, als Acichorius sich zum Sturme anschickte, ein furchtbares Erdbeben aus, begleitet von tosendem Donner, der im Gebirge von doppelter Wirkung war. Gewaltige Felsstücke, rissen sich los und donnerten ins Thal hinab, ganze Haufen der entsetzten Barbaren zermalmend; der Götter Hand sollte aber auch sichtbar walten; sie verließen ihre olympischen Sitze und stiegen herab, ihr Heiligthum zu schützen: Apollo erschien mit den jungfräulichen Göttinnen Athene und Artemis, dem gefährdeten Gotteshause Hülfe bringend, wie sie durch ihres Priesters Mund versprochen hatten. So werden die Gallier von den Göttern vernichtet und die Griechen vollenden den Sieg, indem sie die moralisch vernichteten Scharen niederhauen und Keinen die Heimat wieder erreichen lassen. Reinigen wir diese Berichte von den ihnen anhaftenden Fabeln, so wird sich der Verlauf des Krieges folgendermaßen gestalten. Als Acichorius den entfesselten Trieben seiner Soldaten weichen mußte, hatte er den rechten Augenblick verfehlt, weil mittlerweile die Phocier zur Vertheidigung ihres Heiligthumes sich aufgerafft , gehoben und begeistert durch das Vertrauen auf die Hülfe des Gottes, für * den sie stritten, und unterstützt durch die genaue Kenntniß der Gegend, fielen sie ^ dem Feinde in die Flanken und richteten starke Verheerungen in seinen Reihen an, während andere Abtheilungen auf den Höhen gewaltige Felsblöcke lösten und sie donnernd in das Thal schleuderten, die ganze Glieder zermalmend niederrissen. Als die Nacht einbrach, zogen sich die Griechen nach der festen Stadt Delphi zurück; den Galliern verstrich sie furchtbar, denn es trat eine heftige Kälte ein, und ein harter Frost lähmte ihre Glieder, zumal da sich auch ein bitterer Hunger einstellte, weil sie die Vorräthe, ohne an die Zukunft zu denken, mit Gier aufgezehrt hatten. Acichorius, welcher eine nicht unbedeutende Wunde erhalten hatte, gab den Angriff auf den Tempel auf und ließ den Rückzug antreten, nachdem auf seinen Befehl alle Verwundete erwürgt waren, um dem Feinde nicht in die Hände zu kommen. Er berief seine Unterfeldherren zu sich, legte seine Würde in Belgius' Hände nieder und gab ihnen'den Rath, alle Verwundete zu todten, die Wagen zu verbrennen und dann so schnell wie möglich in ihre Heimat zurückzukehren; darauf ließ er Wein hereinbringen, trank davon im Uebermaß und zückte
Pütz, Histor. Darstell, u. Charakteristiken I. 2. Aufl. 25
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134. Der gallische Krieg und die (Einnahme Roms. 479
zerstreuten, wo sie Gastfreunde und Mitleiden zu finden hofften, nahmen mit sich fort, was sie tragen und wegführen konnten. Die Heiligthümer wurden zum Theil vergraben, zum Theil nach Cäre geflüchtet. L. Albinius, ein Plebejer, welcher seine Frau und Kinder den Clivus des Janiculus hinauf fuhr, erreichte die Priester und die Vestalmnen, welche die verehrtesten Heilige thümer unter sich vertheilt trugen; er ließ die Seinigen absteigen und nahm auf, so viel sein Fuhrwerk fassen konnte. Zu Cäre wurde Alles gewissenhaft bewahrt, und nach der Räumung führte Albinius, was er fortgeschafft hatte, wieder zurück.
Während das ganze übrige Volk sich rettete, sollen 80 Priester und andere vornehme patricische Greise auf dem Forum, in Feierkleidern auf ihren curulischen Thronen sitzend, den Tod erwartet haben: ein freier gemeinsamer Entschluß unter Gleichen, denen es unerträglich war, den Gottesdienst und die Republik zu überleben, an dem nichts Unwahrscheinliches ist, am wenigsten, wenn die zum Tode Entschlossenen sich feierlich in die Hände des Oberponttfex für die Republik und zum Verderben der Feinde geweiht hatten. Als die Gallier durch das collinifche Thor in die Stadt eingebrochen waren, fanden sie Alles öde und ausgestorbendas Grausen, welches einen Fremden ergreift, der im Sommer in einer Stadt des hohen Nordens um Mitternacht Tageshelle und kein Leben auf der Gaffe sieht, kam über sie. Alle Häuser waren verschlossen, man zog immer vorwärts bis auf das Forum. Hier erblickten sie die curulischen Greise, welche Wesen einer andern Welt zu sein schienen. Zweifelhaft, ob nicht die Götter herabgestiegen wären, um Rom zu retten oder zu rächen, näherte sich ein Gallier einem der Priester und berührte seinen weißen Bart, der Greis schlug ihn zornig mit dem elfenbeinernen Scepter über den Kopf; der Barbar hieb ihn nieder, und Alle wurden umgebracht. Dann begann die Plünderung im ganzen Umfang der Stadt, bald brach hier und dort Feuer aus, und bis auf wenige Häufer auf dem Palatium, welche die Heerführer zur Wohnung für sich erhalten ließen, ward die ganze Stadt eingeäschert.
Auf dem Capitol und der Burg waren an 1000 Bewaffnete versammelt, unter ihnen die überlebenden Consular-Tribunen. Wiederbolt liefen die
Gallier Sturm gegen den Clivus, wurden aber durch verzweifelten Widerstand zurückgeworfen. Darnach rechneten sie auf den Hunger, da an keinen Entsatz zu denken war. Allein, als die Eingeschlossenen ausdauerten, mit Wasser durch Jben Brunnen, der bis auf diesen Tag im Innern des tarpejv sehen Berges ein gleichzeitiges Denkmal der Belagerung ist, versorgt, mit Nahrung zur Nothdurst für ihre kleine Zahl, da rächte sich die wilde Verwüstung: die Gallier selbst begannen auf den Brandstätten großes Ungemach zu leiden. Schon die Hundstage, dann der September, zu Rom von je!,er seuchenvoll, erzeugten Fieber, welche die Fremden bei Tausenden wegrafften, wie Kaiser Friedrich» nordisches Heer in denselben Monaten
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Xi. Die Römer.
unter den Mauern der Stadt hinstarb. Die Gegend, wo die Leichen verbrannt wurden, behielt, so lange das alte Rom bestand, den Namen der gallischen Scheiterhaufen.
Zu Veji waren viele aus der Schlacht Entkommene und die Flüchtlinge aus Rom versammelt, aber es fehlten Waffen und ein Anführer; als solchen erwählten sie M. Cädicius. Dieser führte sie gegen die benachbarten Etrusker, die das vejentische Gebiet plünderten. Cädicius überraschte und schlug die unedlen Feinde, befreite die Gefangenen, gewann den Raub wieder und rüstete seine wehrlosen Leute mit den Waffen der Gefangenen oder Flüchtigen. Diese gute Botschaft, Ermunterung, auszudauern, weil man den Entsatz auszuführen hoffe, ward den auf dem Capitol Eingeschlossenen durch einen kühnen Jüngling, Pontius Eominius, überbracht, der die Tiber hinabschwamm, nahe am Capitol das User betrat und unbemerkt durch die Posten der Feinde den Berg hinaus kam und zurückkehrte^
Am folgenden Morgen bemerkten Gallier, daß auf der Bergwand Gebüsch in den Ritzen, woran sich der kühne Abenteurer gehalten, losgerissen und Grasbüschel von Fußtritten herabgestoßen wären. Dort also ließ sich die Arx erklimmen. Sie näherten sich in der Mitternachtsstunde in tiefer Stille; unbemerkt von den Schildwachen und den Hunden, hatte ein Gallier -schon die Höhe des Felsens erstiegen, als das Geschrei der Gänse, welche, wie sehr auch der Hunger nagte, als der Juno geweiht, geschont wurden, -den Altconsul M. Manlius weckte, dessen Haus auf der Höhe lag. Er stürzte den Emporgeklommenen zurück, sein Fall warf die Nachsteigenden hinab; der Anschlag war vereitelt. Der achtlose Hauptmann, der die Wache gehabt, ward mit gebundenen Händen hinabgestürzt, dem Retter zum Dank brachte jeder, der sich in der Burg befand, ein halbes Pfund Korn und einen Viertel Schoppen Wein, die kostbarste Gabe' in einer Hungersnoth. Diese war so hoch gestiegen, daß die Belagerten das Leder der Schilde und Sohlen verzehrten, als die Gallier dem Antrag, ein Lösegeld für die Räumung der Stadt zu nehmen, Gehör gaben. Denn ihre Schaaren schmolzen zusammen, sie vernahmen, daß die Veneter, des Kriegsvolks Abwesenheit benutzend, in ihr Land eingefallen waren; und wenn Brennus einen Theil seiner Leute zurück an den Po gesandt hätte, so konnten die zu Veji Versammelten leicht den Entsatz ausführen. Man ward einig, daß sie 1000 .Mund Gold empfangen sollten, um Rom und die Landschaft zu räumen.
Als es dargewogen ward, ließ der gallische Heerführer falsches Gewicht bringen, und da Q. Sulpicius gegen die Ungerechtigkeit Einspruch erhob, legte er obendrein Schwert und Wehrgehenk auf die Schaale; seine Worte: wehe den Besiegten! sind lange im Andenken geblieben.
Die zu Veji Versammelten sollen durch ein Plebiscit Camillus' Ernennung zum Dictator beschlossen haben; dazu fehlte, damtfeb Gesetz sei, die Zustimmung des Senats und der Curien; und er weigerte sich, den ange- —
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Extrahierte Personennamen: Cädicius Pontius_Eominius Sulpicius